Wie können wir Beziehung in Remote-Konferenzen herstellen?

Zwei Möglichkeiten für den Check-In

Diese Frage wird in den zunehmenden Videokonferenzen und bei denjenigen, die sie als Facilitator unterstützen immer lauter. Mit der zunehmenden Erfahrung, wie effektiv Besprechungen geführt werden können und wie fokussiert man beim gemeinsamen Blick auf einen Bildschirm Themen bearbeiten kann, stellt sich die Frage, was eigentlich an der Präsenzarbeit so anders ist. Und häufig hört oder liest man: Die Beziehung ist eine andere.

Klar, man kann die Mimik besser erkennen und auch die Körpersprache. Die ständigen Mute-Tasten sind unterdrückt und so werden auch Stimmungslaute etc. wahrnehmbar. Daraus ziehen wir unsere Schlüsse über das, was andere Denken, wie sie sich Fühlen und was sie wohl antreibt.

Unternehmen, die seit jeher viel Remote arbeiten, sind die schnellen Abstimmungsprozesse gewohnt. Man organisiert hin und wieder echte Treffen, um die menschliche Begegnung zu ermöglichen oder nimmt in Kauf, dass zu Beginn oder nach dem Meeting auch mal ein bischen privates erzählt wird. Dabei treten diejenigen in Remote-Work stärker in den Vordergrund, die gerne von sich erzählen. Die Schweigenden bleiben im Hintergrund und die Beziehung zu ihnen wird schwächer.

Auch jetzt laden mich Kolleginnen und Kollegen, Kunden und Lieferanten zum virtuellen Afterwork oder auch zum Online-Barcamp ein. Was wir früher im Foyer oder in den Pausen ausgetauscht haben, bleibt in den eigenen vier Wänden und findet wenig Platz. Wie lässt sich aber dennoch Beziehung gestalten, ohne in die Persönlichkeit des Andere zu sehr einzugreifen und dadurch Ängste und Widerstände zu wecken?

Zwei Möglichkeiten möchte ich hier gerne schildern. Zum einen das Mood-Meter von Sprintbetter.de, zum anderen die Schweigeminuten in Zoom-Konferenzen.

Mood-Meter

(c) sprintbetter.de

Zu Beginn und zum Ende einer Zoom-Konferenz ist es hilfreich, den Teilnehmenden einen differenzierteren Ausdrucksrahmen für ihre Befindlichkeit zu geben. Mit Hilfe der obigen Abbildung ist das sehr einfach möglich. Wir haben im Rahmen von Barcamps zu Beginn unsere Sternchen auf eines der Felder geklebt (in einem gemeinsamen Whiteboard wie MURAL einem Google Jamboard). Dann hat jeder in zwei Sätzen begründet, warum er sich so fühlt. Die einzelnen Emfpindungen sind von unten links nach oben rechts zunehmend in der energie gesteigert und wandern dabei von negativen zu positiven Gefühlen.

Die Erfahrung zeigt, dass man zunächst gewillt ist, sozial erwünscht zu antworten. Hier ist die Empfehlung, dass wirklich dazu aufgefordert wird, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Es geht im Anschluss ja nicht darum, dem bekümmerten oder entmutigten gleich eine psychologische Beratung angedeihen zu lassen. Vielmehr geht es darum, zuzulassen, dass diese Stimmungen im Team vorhanden sind und sie zu respektieren.

Am Ende der Session kann erneut auf das Board gesehen werden und gegebenenfalls der eigene Stern verschoben werden auf die neue Stimmung. In diesen 5minütigen CheckIns und CheckOuts erlebt man als Beteiligter die Auseinandersetzung mit der eigenen Stimmung und mit dem Stimmungswandel der anderen. Das sorgt für eine größere Akzeptant und gegebenenfalls auch für eine spätere private Verabredung, wie sie auch im Office vielleicht stattfinden würde.

Bild von philm1310 auf Pixabay

Schweigeminuten in Zoom-Konferenzen

Ganz anders und viel intensiver empfand ich die Schweigeminuten zu Beginn einer Zoom-Konferenz. Wir wurden aufgefordert die Ansicht auf Galerieansicht umzuschalten (geht am oberen Bildrand) und uns die verschiedenen TeilnehmerInnen anzusehen. Dann sollten wir eines der Miniaturviedeo „anheften“. Das erreicht man dadurch, dass man auf die drei Punkte auf dem Bild klickt, während man es mit der Maus überfährt. Zoom schaltet genau dieses Video dann in Vollansicht und die anderen in die seitliche Galerieansicht.

Nun wurden wir aufgefordert uns diese Person anzusehen. Den Hintergrund, die Stimmung, in der derjenige wohl sei, was er jetzt wohl empfinden würde … Nach ein bis zwei Minuten konnten wir auch wechseln und andere Gesichter auswählen. Alle schauten konzentriert auf ihre Bildschirme und damit fast einander in die Augen. Zwar wusste man nicht, ob einen das Gegenüber jetzt gleichzeitig auch ansah, oder ob man überhaupt angesehen wurde, jedoch entstand ein Raum der Gegenseitigen Beschäftigung mit den Gesichtszügen, Gefühlsäußerungen, Hintergründe etc.

Diese Begegnung, ohne irgendein Urteil zum Anderen abzugeben oder aufzulösen, wen man sich angesehen hatte, führte zu einer emotional sehr positiven Stimmung innerhalb der relativ großen Runde von 25 TeilnehmerInnen. Als wir später in der Konferenz in Breaking-Teams unterteilt wurden (in diesem Fall per Zufall), freute ich mich, ein mir bekanntes Gesicht wiederzusehen, obwohl wir uns bis Dato noch nie gesehen hatten. Die Gesprächsbasis war sofort sehr vertraut und offen.

In diesem Gespräch in der Kleingruppe zeigte sich das Schweigen wiederum als große Kraft. Die Feststellung, dass wir zwar alle sehr fokussiert auf das Thema seien, aber es manchmal doch etwas Zeit benötige, den eigenen Körper wahrzunehmen, hatte ich bis dato in verschiedenen Webkonferenzen selbst wahrgenommen und von anderen Teilnehmern gehört. Wirklich auch hier sich zu Wort zu melden und zum Ausdruck zu bringen, dass man erst kurz sich besinnen wolle, ehe man etwas zu dem Punkt sage, war daher für mich logisch und wohltuend. Und es erschien mir leichter, weil wir gemeinsam zu Beginn bereits geschwiegen hatten.

Nehmt euch daher ruhig mal die Zeit, zu schweigen und den Anderen zu beobachten. Achtet aber darauf, dass ihr nicht in eine Vorverurteilug oder Verurteilung verfallt, welche negativen Einfluss auf eure Beziehung haben kann. Seid dabei neugierig und offen. Dann kann auch Beziehung in Remote-Work gelingen.

Welche Übungen oder Möglichkeiten kennt ihr, um gegenseitig die Beziehung zu stärken in Remote-Work-Meetings?

Über Olaf Keser-Wagner

Gründer des Erfahrungsfeld-Bauernhof e.V. Evokator, Dozent, Autor verschiedener Bücher zum Thema, wie man mit Fragen besser führen kann. Gelernter Landwirt, Agraringenieur, Geschäftsführer eines Kulturunternehmens und anschließend selbständiger UnternehmensKulturEntwickler. International MBA in Management and Communications 2014 nebenberuflich erworben. Seitdem Begleitung und Weiterentwicklung der Münchner Marketing Akademie und des gleichnamigen Weiterbildungslehrgangs an der FH-Wien der WKW, Mitinitiator der Everding-Akademie für Gemeinwohlökonomie, Entwickler von Katalyst - evocational gaming solutions

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