Dank Covid-19 boomt das Angebot an Webinaren, an Lösungsvorschlägen für die Herausforderungen, die sich im Remote-Work, in der Isolation oder in der Neuorientierung auf eigene Werte stellen. Folgt man nur einigen der Angebote gibt es tatsächlich viele Lösungen und ganz konkrete Schritte, was man machen kann – oder auch sollte – wenn man das gleiche Problem hat, wie es der Anbieter schildert. Ganz konkret bekomme ich also ein Angebot nach dem Anderen auf den PC, kann mir dann in verschiedenen Webinaren Lösungsvorschläge ansehen und anfangen, etwas davon umzusetzen. Da viele der Angebote auch noch kostenlos sind, dürften sie auch von einer breiten Masse hin und wieder angeklickt werden.
Ich vermute jedoch: Nur hin und wieder. Denn viel zu umfangreich sind die Angebote, viel zu langatmig deren Aufbau (oft folgt der Aufbau auch einem vorgegebenen Fahrplan von Marketern) und meistens kommt man an das tatsächliche Geheimnis oder den wirklich wirkungsvollen Input, wenn man sich zu einem kostenlosen Beratungsgespräch bewirbt. Nach dem Gespräch geht es dann zunächst in den Verkauf eines ganzen Wissenspaketes in Form von einem mehrstündigen Online-Programm mit X-Stunden Videomaterial und regelmäßigem Austausch in der geschlossenen Facebook-Gruppe.
Das habe ich selbst ausprobiert und habe es auch für einen Teil meines Angebotes in der Anwendung (hier geht es zum kostenlosen Webinar und hier direkt zum Beratungsgespräch oder sofort zu meinem Online-Kurs zur evokatorischen Führung).
Was mich daran heute beschäftigt: Wir werden derzeit mit Wissen zugedröhnt. Jeder hat das beste Werkzeug oder die geilste Methode und das entsprechende Mindset. Es scheint, als gibt es hunderttausende von Antworten auf die Frage: Was soll ich jetzt tun? Und alle sind sogar logisch begründet! Sie stehen uns online und offline zur Verfügung. Jedes gedruckte Buch, jede abgespeicherte Datei ist ein Mosaiksteinchen in unserem Wissensschatz. Wir konsumieren Wissen. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache schreibt zur Wortherkunft:
„konsumieren Vb. ‘verbrauchen, verzehren’, im 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. cōnsūmere (cōnsumptum; zu lat. sūmere ‘nehmen, kaufen, an-, aufwenden, verbrauchen’)“
https://www.dwds.de/wb/konsumieren
Wir nehmen uns dieses Wissen, wir kaufen es auch, wir wenden es an. Verbrauchen können wir es eher nicht, aber vergessen – und das führt zum gleichen Ergebnis: Wenn wir es wieder benötigen, müssen wir es erneut erwerben.
All das geht in der heutigen Zeit ausgesprochen schnell und effektiv. Schüler müssen nicht mehr Fachwissen lernen, sondern den Prozess, wie sie am schnellsten das benötigte Fachwissen recherchieren und dann konsumieren, um es anzuwenden.
Mich ängstigt darin: Es gibt immer weniger Erfahrungen, die wir machen. Denn schon bald, nachdem wir eine dieser Lösungen kennengelernt und angewendet haben, machen wir eine Erfahrung damit. Stellen fest, dass es ähnlich ist wie eine andere Lösung oder nicht ganz zu meinem eigenen Problem passt. Der vorgeschlagene Lösungsweg ist nicht mein eigener und so mache ich mich wieder auf die Suche nach einer besseren Lösung.
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es daran liegt, dass wir zu viele Antworten bekommen auf Fragen, die wir nicht gestellt haben und zu wenig gelernt haben, die richtigen Fragen zu stellen, um wirksame Antworten zu erhalten oder auch unseren Fokus auf das zu lenken, was uns tatsächlich zu einer Antwort führt.
In diesem Sinne wünsche ich für Dich, dass Du die richtigen Fragen stellst, damit Du nicht in einem Überkonsum von Wissen ertrinkst und nicht vorankommst vor lauter Antworten, die nicht deiner Frage dienen.